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Reifen

Die Runflat Reifen und PAX Reifen

 

zu PAX Reifen

Run Flat Reifen sind Reifen mit Notlaufeigenschaften

am Beispiel der BMW-Group mit Ergänzungen zum PAX-System von Michelin und AUDI

Reserverad schon eingebaut - Mit der Runflat-Technologie verschwindet das Ersatzrad aus dem Kofferraum.

Rein statistisch gesehen hat jeder Autofahrer in Deutschland alle fünf bis sieben Jahre, nach 100.000 bis 150.000 Kilometern Laufleistung, eine Reifenpanne. Der Ernstfall ist für den Einzelnen meist sehr unangenehm: ein nächtlicher Stopp auf einer wenig befahrenen Landstraße, vielleicht noch bei Regen oder Kälte, ein Ersatzrad, dem ebenfalls die Luft ausgegangen ist, mangelnde Übung und fehlendes Geschick beim Reifenwechsel.

Da die Ursachen für Reifenpannen – Nägel, Glasscherben oder beschädigte Fahrbahnbeläge – nie völlig ausgeschlossen werden können, musste die Lösung im Reifen selbst liegen. 
 

Bei der BMW Group kommt ein Reifen zur Anwendung, der trotz völligem Luftdruckverlust noch viele Kilometer weiterläuft – 

die Bereifung mit Notlaufeigenschaften (Runflat System Component RSC).

Der Reifen mit Notlaufeigenschaften – engl. Run Flat Tyre (RFT) – ist sozusagen Normal- und Ersatzrad in Einem. "Rein optisch unterscheidet er sich für den Laien nur durch seine spezifische Beschriftung von einem herkömmlichen Reifen – ansonsten ist er rund und schwarz", so Hans-Rudolf Hein, Technical Manager und Projektleiter RFT bei BMW. Die Runflat-Technologie ermöglicht auch bei übermäßigem Luftdruckverlust über eine bestimmte Wegstrecke das Weiterfahren.

 

Vergleich Runflat - Pax - normaler Reifen
Vergleich des Verhaltens zwischen Reifen mit und ohne Notlaufeigenschaften sowie dem speziellen Pax Reifen 
 Ein zusätzliches Gummielement im Inneren des selbsttragenden Reifens verhindert das Einfallen des beschädigten Reifens bei Druckverlust. "Überzeugend ist zudem die weitaus größere Stabilität des RFT-Reifens bei plötzlichem Druckverlust und hoher Fahrgeschwindigkeit, wie beispielsweise auf der Autobahn und besonders in Kurven", so Hein.

 

Bei übermäßigem Druckverlust löst die Reifen-Pannen-Anzeige (RPA) ein visuelles Signal im Cockpit des Wagens aus. Der Fahrer wird aufgefordert, die Fahrgeschwindigkeit im vorgegebenen Rahmen (maximal 80 km/h) zu reduzieren. Die Restplattrollstrecken von RFT variieren je nach Autotyp und äußeren Faktoren. Bei entsprechend angepasster Geschwindigkeit kann mit RFT trotz Reifenschaden die nächste Service-Station oder der nächste BMW-Händlererreicht werden. "So wird das Fahrzeug nicht zu einem gefährlichen Hindernis im dichten Straßenverkehr. Sowohl der fließende Verkehr als auch die Insassen des Fahrzeugs werden geschützt", betont Hein den Sicherheitsaspekt.

 

 

Ein Reifen mit vielen Namen

Hinter den Bezeichnungen und Abkürzungen Run FlatTyre (RFT) und Runflat System Component (RSC) verbirgt sich ein und dasselbe Phänomen: 

der Self Supporting Tyre (SST), ein selbsttragender Reifen mit Notlaufeigenschaften. Eine weltweit gültige Reifennorm für RFT und damit eine eigenständige Reifenbezeichnung gibt es noch nicht. Das Kürzel RFT hebt stärker auf den Reifen als einzelnem Element ab. 

RSC versteht den selbsttragenden Reifen als Komponente (Runflat System Component) in einem angegliederten Gesamtsystem aus Reifen, Felge und Frühwarnsystem. Der Schriftzug RSC wurde von der BMW Group gemeinsam mit der Reifenindustrie als sichtbares äußeres Erkennungszeichen für den BMW-Kunden entwickelt. Seit Oktober 2001 sind die drei Buchstaben RSC auf allen BMW-Runflatreifen zu erkennen.

 

 Runflatreifen im Schnitt

Runflat Tyre im Schnitt

Der Effekt des selbsttragenden Reifens wird durch eine "Sonderausstattung" im Reifeninneren erzielt:

An den Innenwänden des Reifens sind beidseitig zusätzliche Einlegestreifen aus Gummi angebracht. Die spezifische temperaturfeste Gummimischung bleibt auch bei extremer Inanspruchnahme der Reifen im Pannenfall stabil. Die Verformung der Reifen durch hohe Belastung – z.B. bei Kurvenfahrten – und Überhitzung wird weitgehend verhindert.

"Zur Zeit sind RSC-Reifen im Vergleich zu normalen Reifen noch nuanciert härter – allerdings wird dieser feine Unterschied nur von sensibilisierten Fahrern auf unebener Fahrbahn bemerkt", sagt Hein.

 Runflatreifen Vergleich
Vergleich zwischen Standard Reifen und Reifen mit Runflat Technologie ohne Luft

Welche Strecke mit RSC auch mit Reifenschaden und Luftdruckverlustzurückgelegt werden kann, ist abhängig vom jeweiligen Autotyp, der Belastung des Wagens, dem Restdruck im Reifen sowie der Fahrgeschwindigkeit. Bei einem Reifendruck von 0 bar muss die Geschwindigkeit idealer weise auf 80 km/h reduziert werden, umweitere 150 Kilometerzurücklegen zu können. Bei einem in den allermeisten Schadensfällen noch vorhandenen Restdruck von ca. 0,3- 0,5 bar können erheblich größere Notlaufstrecken erreicht werden. 

Im Versuchsbetrieb wurden mit RSC der zweiten Generation ab RPA-Warnung Laufstrecken von 2.000 Kilometern und mehr erzielt (mit Normalreifen weniger als fünf Kilometer).

 

Aus drei mach eins: RSC, RPA und EH2

 

Seine Wirksamkeit erreicht RSC nur in Kombination mit zwei weiteren Komponenten:

  • einem Frühwarnsystem in Form einer Reifen-Pannen-Anzeige (RPA) – oder optional einem Reifendruck-Kontrollsystem (RDC)

  • und einem speziellausgeformtem Felgentyp, der so genannten Extended Hump Felge.

Erst durch das Zusammenspiel dieser drei Elemente wird das Ersatzrad tatsächlich überflüssig. Zum Einsatz kommt RSC daher nur im standardisierten Paket Reifen, Felge und Frühwarnsystem.

Vergleich der Felgen
Vergleich der Felgen 

 

Die Extended Hump Felge (EH2)

 

unterstützt durch ihre spezielle Ausformung den Stabilitätseffekt dieses Rad-Reifen-Systems. Erkennungsmerkmal der EH2-Felgen sind die geänderten Humps (engl.= Höcker/Hügel); sie wurden an beiden Seiten der Felge weiter nach innen verlegt und höher ausgeführt. 

Das Tiefbett der Felge wanderte ebenfalls um einige Millimeter nach innen und wurde etwas tiefer. So wird verhindert, dass der Reifen auch in luftlosem Zustand von der Felge springt. 

Durchmesser, Winkel, Radien und Reifenaufsitz der EH2-Felge sind identisch mit herkömmlichen Felgen und damit hundertprozentig kompatibel mit den bisherigen Normalreifen. Damit bietet auch die Kombination aus EH2-Felge und Normalreifeneinen – wenn auch geringeren – Sicherheitsgewinn für den Fahrer. 

Allerdings kann bei Normalreifen, je nach Flankenhöhe des Reifens, ab einem Luftdruck von ca. 0,3- 0,6 bar trotz EH2-Felge das Abspringen des Reifens nicht mehr verhindert werden. In diesem Fall ist der Druckverlust auf Grund des platten Reifens auch mit bloßem Auge wieder erkennbar. 

 

Mit RSC kann im Gegensatz zu Normalreifen ein Abspringen des beschädigten Reifens in das Tiefbett der EH2-Felgenahezu völlig ausgeschlossen werden. Ausreichende Lenk-, Brems und Antriebskräfte werden noch auf die Reifen übertragen und bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h sind die Mobilität und Sicherheit des Fahrers über eine endliche Strecke von ca. 2.000 Kilometer ab Warnung gewährleistet. Dies bei so genanntem "schleichendem" Druckverlust, der 80 % aller Reifenschäden überhaupt verursacht. Im Falle des äußerst seltenen, plötzlichen, totalen Druckverlustes ist immer noch eine Restlaufstrecke von ca. 150 Kilometern gegeben.

Bei RSC ist ein Reifenschaden und der damit verbundene Druckverlust für den Laien mit bloßem Auge nicht mehr erkennbar. Um die Fahrgeschwindigkeit aber im entscheidenden Moment auf das erforderliche Maß zu reduzieren, ist der Fahrer auf einen entsprechenden Hinweis angewiesen. 

Reifenpannenanzeige

Eine elektronische Reifen-Pannen-Anzeige (RPA) ersetzt den Anblick des platten Reifens durch ein optisches Warnsignal im Armaturenbrett. Die RPA schließt auf Grund erhöhter Drehzahlen der unter Minderdruck laufenden Reifen auf einen Luftdruckverlust: Entweicht aus einem Reifen Luft, ändern sich Reifenumfang und Abrollradius; die Rotationsgeschwindigkeit des Rades erhöht sich zwangsläufig. Mit Hilfe von Sensoren werden die Drehzahlen der Reifen kontinuierlich überprüft. RPA vergleicht die diagonal einander zugeordneten Reifen und deren Durchschnittsgeschwindigkeit. Die Basisdaten der Reifen, die als Bezugspunkt für den Datenabgleich dienen, werden während der Initialisierungsphase der RPA festgelegt. Führt der Datenabgleich durch die RPA zu einer kritischen Abweichung, erscheint eine Meldung im Armaturenbrett. Bereits bei einem Druckabfall von ca. fünf Zehntel (ca. 30 Prozent) unter den Normaldruck wird der Fahrer gewarnt. Das ISO-genormte Warnzeichen stellt einen Reifenquerschnitt mit Ausrufezeichen dar. Bei einigen Modellen der BMW-Serie, z.B. E65 und High-Kombis, erscheint die erforderliche Richtgeschwindigkeit zusätzlich als Textanzeige im Display.

Die Warnschwelle für die Reifenluftdrucküberwachung ist bei RPA z.Zt. noch nicht ganz so niedrig angelegt wie bei dem vergleichbaren – ebenfalls von BMW eingesetzten – High-Tech-Frühwarnsystem RDC/Reifen Druck Control. Im Gegensatz zu RPA stellt RDC nicht an Hand der veränderten Rotationsgeschwindigkeit der Reifen, sondern auf Grund von Druck- und Temperaturänderung einen Reifenschaden fest. Darüber hinaus erfasst RDC sowohl im Lauf als auch im Stand kleinste Fülldruckverluste im Zehntel bar Bereich. Per Radelektronik werden in jedem Reifen Fülldruck und Temperatur gemessen. Auch die Übertragung der Daten an das RDC-Steuergerät erfolgt nicht wie bei RPA über Software, sondern per Funktelegramm.

 

Warum der Abschied vom Ersatzrad nicht schwer fällt

Was die Amerikaner längst überzeugte, wird sich auch in Europa vermutlich bald durchsetzen. Für den Erfolg von RSC sprechen gleich mehrere Argumente – allen voran mehr Fahrkomfort und Sicherheit im Pannenfall. So können Reifenverschleiß, Reifenplatzer und daraus resultierende Unfälle und größere Schäden minimiert werden. Der Entfall des Reserverads wirkt sich gleich in zweierlei Hinsicht positiv aus: Da mit dem Reserverad Ballast abgeworfen wird reduziert sich zum einen der Benzinverbrauch und damit der CO2-Ausstoß. Zum anderen kann der neugewonnene freie Platz im Heck anderweitig genutzt und hier beispielsweise zusätzliche elektronische Steuereinrichtungen untergebracht werden. Unter Designaspekten wäre aber auch eine Optimierung der Heckformmöglich: Denkbar wären Wagenformen, die dem Wunsch nach kleinen Autos mitmaximaler Innenraumnutzung gerecht werden, und damit neue Maßstäbe setzen könnten. "Um 25 Kilogramm Gewicht aus dem Auto zu nehmen, müssten sich unsere Konstrukteure unter normalen Umständen unheimlich anstrengen", unterstreicht Hans-Rudolf Hein diesen angenehmen Nebeneffekt.

Inzwischen konnte BMW alle großen Reifenhersteller für die Runflat-Technologie gewinnen: Mini Cooper S und BMW Z8 werden bereits serienmäßig mit RSC ausgestattet; für diverse andere Modelle aus der BMW-Serie wird RSC zur Zeit als Sonderausstattung angeboten. Damit übernimmt BMW auf dem Gebiet der Runflat-Technologie eine Pionierrolle im Bereich RSC.

 

PAX Reifen - Es geht auch noch anders:

 

Audi setzt seit einigen Jahren auf eine andere Lösung. Auch hier können zum Beispiel die Modelle der A8-Reihe nach einem Reifenschaden weiterfahren. Beim Pax-System, das zusammen mit dem französischen Reifenspezialisten Michelin entwickelt wurde, fährt das Fahrzeug auf einem von außen unsichtbaren Gummiring auf der Innenfelge weiter,  wenn der Reifen keine Luft mehr hat. 

Pax funktioniert in der Praxis relativ gut, ist jedoch deutlich aufwändiger und teurer als das Runflat-System. Denn man benötigt spezielle Reifen und Felgen. Zudem muss der Handel spezielle Montiergeräte haben, um Pax-Reifen aufziehen zu können.

Aktuell sind nur wenige Audimodelle sind mit der Pax-Lösung unterwegs. Der Aufpreis liegt inklusive Breitreifen für einen Audi A8 bei mehr als 2.100 Euro. Zudem bietet selbst Pax-Erfinder Michelin mittlerweile Runflat-Reifen an.

 PAX
Pax Rad von Audi

Quelle von Bild und Text: BMW-Group,  AUDI, Hersteller,  ADAC

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Autor: Johannes Wiesinger

bearbeitet: 30.01.2024
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