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Ein neuer Kfz-Beruf oder vom Rückfall in die 50er und 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts

Zeuschners Seiten

Anmerkung: Der Beruf des Kfz-Servicemechanikers läuft inzwischen aus.

H.-D. Zeuschner 02.08.04

Zu meinem großen Erstaunen fand ich heute in der Tageszeitung die Berufsbezeichnung Kraftfahrzeugservicemechaniker/Kraftfahrzeugservicemechanikerin

Die Internetrecherche auf den Seiten des Berufsbildungsinstituts und der Arbeitsverwaltung unter dieser Berufsbezeichnung ergab Fehlanzeige. Erst nach intensiver Suche auf den Seiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit wurde ich fündig, hier die relevante Meldung in Auszügen:

>> PRESSEMITTEILUNG

Neue Berufe - Neue Ausbildungschancen

Datum: 2.8.2004

Zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres am 1. August stehen Jugendlichen neue und bessere Möglichkeiten bei der Wahl ihres Ausbildungsplatzes offen. Für die stärker praktisch Begabten wurden weitere zweijährige Ausbildungsberufe geschaffen und bestehende Ausbildungsordnungen von überflüssigem Ballast befreit.

Hierzu Bundeswirtschafts- und -arbeitsminister Wolfgang Clement: “Mit den neuen Ausbildungsmöglichkeiten tun wir einen weiteren Schritt zur Verbesserung der Chancen der jungen Menschen am Ausbildungsmarkt. Die neuen zweijährigen Ausbildungsgänge machen das Ausbilden attraktiv auch für mittelständische Betriebe, für die eine dreijährige Ausbildung zu aufwändig ist. Wir müssen alle Wege gehen, die junge Menschen in eine berufliche Zukunft führen.“

Kraftfahrzeugservicemechaniker/ Kraftfahrzeugservicemechanikerln

Bei der neuen zweijährigen Ausbildung zum Kraftfahrzeugservicemechaniker/ zur Kraftfahrzeugservicemechanikerin handelt es sich um eine Erprobungsverordnung, die auf eine Initiative der Branche selbst zurückgeht.

Durch die Zusammenführung der Kfz-Elektronik und der Kfz-Mechanik im dreieinhalbjährigen Beruf Kraftfahrzeugmechatroniker wurde die Berufsausbildung in diesem Bereich sehr anspruchsvoll. Viele Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an Kraftfahrzeugen betreffen indes nicht die elektronischen Steuerungs-, Navigations- und Sicherheitssysteme. Deshalb wird es neben dem Kraftfahrzeugmechatroniker weiterhin einen Ausbildungsberuf für die klassischen Inspektions- und Instandhaltungsarbeiten geben. So steht die bei vielen Jugendlichen besonders beliebte Automobilbranche für junge Menschen ohne Abitur und Fachoberschulreife auch weiterhin offen.

Die zweijährige Berufsausbildung zum Kraftfahrzeugservicemechaniker wird in Kammerbezirken angeboten, In denen die Fortsetzung der Ausbildung in einem drei- oder dreieinhalbjährigen Ausbildungsberuf der Kfz- Berufe sichergestellt ist.

Als Fortsetzungsberufe kommen in Betracht:

Kraftfahrzeugmechatroniker

Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker

Mechaniker für Karosserieinstandhaltungstechnik

Land- und Baumaschinenmechaniker

Mechaniker für Reifen- und Vulkanisationstechniker  

 

Die meiner Ansicht nach besonders interessanten Passagen habe ich unterstrichen. Sie sprechen für sich und müssen daher nicht kommentiert werden.

Alles nur eine Frage der äußeren und inneren Differenzierung?

Diese, angeblich „das Ausbilden auch attraktiv für mittelständische Betriebe“ (s.o.)  machende, Neuerung  wirft ad hoc eine Menge Fragen auf:

            - die Ausbildung weitgehend betriebsspezifisch d.h. situativ und zufällig ausgerichtet ist,

            - die Einhaltung der Ausbildungspläne sich eher schwierig gestaltet,

            - die konsequente Verfolgung der Ziele der ersten Neuordnung der Metallberufe von 1989 zu wünschen                   übrig lässt, 

            - die berufstheoretische Qualifikation lediglich in geringem Umfang betrieben wird?

            usw

            - mit lediglich ein- oder zweizügigen Kfz-Zweigen,

            - mit vorgeschriebenen Größen für Klassen- bzw. Gruppenfrequenzen,

            - mit Fachlehrer- und/oder Fachraumplatzmangel,

            - mit den völlig überfrachteten Lehrplänen für Kfz-Mechatroniker, 

            - mit den in jüngster Zeit z.B. in Niedersachsen verstärkt erarbeiteten breit angelegten Projekten,

            - mit Anlernlingklassen evtl. inhomogen zusammengesetzt, im Hinblick auf die Berufe, zur Erfüllung der zwölfjährigen Schulpflicht?

            - usw.

        usw.

Die geringsten Probleme dürfte es nach meinem Dafürhalten bei der überbetrieblichen Ausbildung geben, da die Kurse fachsystematisch aufgebaut sind.

Der „überflüssige Ballast“ (s.o.) in der bestehenden Ausbildungsordnung für Kfz-Mechatroniker besteht, wenn man den eingangs angeführten Angaben des BMWI folgt, in dem Block „elektronische Steuerungs- Navigations- und Sicherheitssysteme“. Ein modernes Kraftfahrzeug besteht nicht nur, wie unten vom BMWI angegeben „aus mechanischen und elektronischen Bauteilen“ sondern ist ein vernetztes System mit mechanischen, hydraulischen, pneumatischen, elektrischen und elektronischen Baugruppen! Sowohl die Fehlerdiagnose als auch die Reparatur von Mängeln und Schäden erfordert Baugruppen übergreifende Kenntnisse und Fertigkeiten. Eine schmalspurige Ausbildung macht Kfz-Servicemechaniker a priori zu Hilfsarbeitern.


Hier die beiden Tätigkeitsbeschreibungen des BMWI im Wortlaut zum Vergleich:

Was machen Kraftfahrzeugmechatroniker?


Sie sind eine Kombination aus Mechaniker und Elektroniker. Alle Fahrzeuge bestehen aus mechanischen und elektronischen Bauteilen. Das sind  zum Beispiel Lenk- und Bremssysteme, Fahrwerksysteme, Motoren aber auch Klimaanlagen, Navigationssysteme und CD-Player. Dafür werden Spezialisten gebraucht, die sich in der Fahrzeug- und Systemdiagnose auskennen. Sie demontieren und montieren Anlagen aus mechanischen und elektronischen Teilen, warten sie und setzen sie instand.

Kraftfahrzeugmechatroniker ...
  • beraten ihre Kunden

  • überprüfen die Verkehrssicherheit, Betriebssicherheit und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften

  • Abgasvorschriften von Kraftfahrzeugen

  • beurteilen Schäden und Verschleißerscheinungen

  • stellen mit Hilfe von Diagnosesystemen Fehler und Störungen fest und beheben sie

  • prüfen, messen und beurteilen das Motorensystem sowie das Antriebs-, Brems- und  Informationssystem

  • montieren, demontieren Fahrzeugsysteme und Motorbaugruppen und stellen sie ein

Was machen Kraftfahrzeugservicemechaniker?


Pkw, Lkw und Busse müssen regelmäßig gewartet und bei Bedarf repariert werden. Nicht nur, damit das Fahrzeug möglichst lange fährt, sondern auch damit für Sicherheit und Umweltschutz gesorgt ist. Der TÜV kennt keine Gnade. Kfz-Servicemechaniker spüren mit Hilfe elektronischer Prüfgeräte Fehler auf und beheben sie. Wenn die Stoßdämpfer durchhängen, der Kühler kocht oder der Auspuff knattert, sind Experten gefragt, die anpacken können. Nach Unfällen machen sie die Fahrzeuge wieder flott und "knitterfrei". Genau das Richtige also für leidenschaftliche Autobastler.

Kraftfahrzeugservicemechaniker ...
  • planen Arbeitsabläufe

  • stellen Werkzeuge und Austauschteile bereit

  • weisen Kundinnen und Kunden in die Bedienung von Fahrzeugen und Systemen ein

  • warten Kraftfahrzeuge und schmieren oder ölen z. B. Bauteile nach den Angaben der Hersteller

  • suchen nach Fehlern

  • beurteilen die Schäden und reparieren sie

  • montieren und demontieren Bauteile, Baugruppen und Systeme, wie z. B. Kühlanlagen, Schiebedächer

  • reparieren Bauteile, Baugruppen oder Systeme wie z. B. Stoßdämpfer, Motorsteuerung oder Beleuchtungsanlagen

  • prüfen Form und Lage von Bauteilen mit verschiedenen Messinstrumenten

  • prüfen Bauteile, Baugruppen und Systeme auch nach amtlichen Vorgaben (z. B. Abgassonderuntersuchung)

Die vorstehende Tätigkeitsbeschreibung  korreliert stark mit den in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts  gültigen Vorschriften für Betrieb und Schule. Sollen dort jetzt die überholten Lehrpläne  und die alte Ausbildungsordnung reaktiviert werden?

Das Rad fünfunddreißig Jahre zurück gedreht

Die Einführung der zweijährigen Ausbildungsgänge geht, wie oben vom zuständigen Bundesminister gesagt wird, „auf eine Initiative der Branche selbst zurück……“.  Sie bedeutet einen Rückfall in die Zeit vor dem Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes im Jahre 1969 bzw. vor der Einführung des Dualen Systems in der Berufsausbildung.

Ab heute gibt es wieder Anlernberufe neben Ausbildungsberufen nach BBiG, weil die zweijährigen Anlernberufe nicht der in §1 Absatz 2 BBiG formulierten Definition genügen.

Berufsbildung

(1) Berufsbildung im Sinne dieses Gesetzes sind die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung.

(2) Die Berufsausbildung hat eine breit angelegte berufliche Grundbildung und die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie hat ferner den Erwerb der erfor­derlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen.

Zeuschner 02.08.04


 

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit nimmt Stellung:

Es gibt keine Probleme bei den Betrieben, Berufsschulen

und den zuständigen Stellen

Sehr geehrter Herr Zeuschner,

beigefügt die Stellungnahme des BMWA zu Ihrem Aufsatz.

MfG - Heinz Ackermann

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Ackermann, Heinz, VIIIB6 
Gesendet am: Montag, 9. August 2004 10:16
An: Kemper, Marita, VIIIB6/VIIIB7
Cc: Ulrich, Rita, VIIIB6; Holterhoff, Friedhelm, VIIIB6
Betreff: AW: Kontaktformular: Zweijährige Anlernberufe

Sehr geehrter Herr Zeuschner,

zu Ihrer Mail äußere ich mich als Verordnungsgeber von Ausbildungsberufen der gewerblichen Wirtschaft wie folgt:

Ich halte Ihre Anmerkungen zu dem neuen Ausbildungsberuf "Kraftfahrzeug-Servicemechaniker" für relativ einseitig und möchte Sie bitten, diese bei einer Veröffentlichung zu relativieren und folgende Aspekte mit einzubeziehen:

Bei dem Beruf handelt es sich nicht um einen "Anlernberuf" sondern um einen formell gleichwertigen Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung, der die Kriterien zur Schaffung von Ausbildungsberufen vollständig erfüllt. Insbesondere enthält das Berufsbild genügend eigenständige Qualifikationen, die auf eine eigenverantwortliche und vom Lebensalter unabhängige Tätigkeit angelegt sind. 

Der Beruf wurde auf Initiative des Kraftfahrzeugverbandes NRW und der IG Metall, Bezirk NRW, von Bundessachverständigen erarbeitet und findet somit Rückhalt in Großen Teilen der Wirtschaft. Er führt auch nicht in eine "berufliche Sachgasse", da der Aufstieg in einen anderen fahrzeugtechnischen Beruf bei großzügiger Anrechung der Ausbildungszeit möglich ist.

Sie wissen sicherlich auch, wie es derzeit auf den Ausbildungsmarkt bestellt ist. Insbesondere Jugendliche mit schlechteren Startchancen (Probleme im theoretischen Bereich) sind besonders betroffen. Für diese Jugendliche bietet dieser Beruf eine Perspektive, auch zu einem qualifizierten Abschluss zu kommen.

Ich gehe davon aus, dass diejenigen, die mit der Durchführung der Ausbildung betraut sind (Betriebe, Berufsschulen, zuständige Stellen), die Ausbildungsverordnung in der erforderlichen Art und Weise wie bei anderen Berufen umsetzen werden.

MfG - Heinz Ackermann


Anmerkung: Der Beruf des Kfz-Servicemechanikers läuft inzwischen aus.