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Zur ‘Bildung des allgemeinen Wirtschaftsverständnisses’ in der Berufsschule

Bestandsaufnahme und Kommentar

Hans-Dietrich Zeuschner, 04.02

In der Zeit ihrer Berufsausbildung müssen sich die Jugendlichen verstärkt mit  ökonomischen Problemen beschäftigen bzw. haben eine Vielzahl neuer Rollen  zu übernehmen, auf die sie derzeit in der  Berufsschule überwiegend nicht vorbereitet werden. Um dieses Defizit zu kompensieren, plädiere ich seit 20 Jahren  für ein eigenständiges Fach Wirtschaftskunde für  Schulformen der Berufsbildenden Schulen.

  Wirtschaften heißt, nach bestimmten Kriterien Entscheidungen zu treffen. Wer wirtschaftet, muss sich entscheiden, worauf er verzichtet „In keinem Lebensbereich außerhalb der Wirtschaft spielt die Macht der kleinen Entscheidungen im täglichen Handeln der einzelnen Personen eine derart bedeutsame Rolle für das Ganze.“[1]

   Ein Auszubildender soll  am  Monatsende noch gerade über 30,- € verfügen.  Unter  Prüfungsdruck benötigt er dringend ein Arbeitsbuch mit Übungsaufgaben, gleichzeitig hat er das Bedürfnis ein Konzert zur Entspannung zu besuchen,  beides soll 20, - € kosten. Unter den gegebenen Umständen wird er sich für eines von beiden entscheiden müssen. Wählt er das Buch, muss er auf das Konzert verzichten. Das Mehr an Fachkompetenz kostet ihn den Verzicht auf den musikalischen Genuss.

  Wirtschaften ist ein intellektueller Akt. Der Auszubildende lässt sich möglicher Weise von seiner Vernunft leiten. Er ordnet seine Bedürfnisse nach der Intensität, mit der er sie empfindet, wägt die Risiken und Chancen,  die die verschiedenen Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung aller Wahrscheinlichkeit nach in sich bergen, gegeneinander ab und bildet eine individuelle Bedürfnisskala,‘[2]   bevor er sich entscheidet. Man spricht in diesem Zusammenhang von Konsumentensouveränität.

  Die  klassische Betrachtungsweise beschreibt den Menschen als u.a. aktives Wesen. Das Gegenteil ist der Fall, wenn man  der Überlegung folgt, dass es Zweck allen Wirtschaftens ist, nicht nur dem gegenwärtigen, sondern dem potentiellen/antizipierten Bedarf (entstanden aus der Summe der individuellen Bedürfnisse)  zu berücksichtigen  In diesem Falle müssen aufgrund der Produktion, Bedürfnisse  geschaffen werden. ‘Der bedürftige Mensch wird durch die Wirtschaft zum bedürfnisheischenden Wesen erzogen’[3]. „Die Wünsche des Individuums scheinen zwar oberflächlich betrachtet von ihm selber auszugehen, sind aber   letztlich auf das Kommando des Mechanismusses zurück zu führen, der sie befriedigt. In der Praxis stellt sich die Anpassung so dar, dass die produzierende Firma ihre Preise auf dem Markt kontrolliert. Ja, sie geht über diese Kontrolle hinaus, indem sie den Verbraucher zu dem ihr nützlichen Verhalten überredet“,[4] ein Zitat   des amerikanischen Wirtschaftsprofessors John Keneth Galbraith zur Alternative der Konsumentensouveränität, nämlich der Produzentensouveränität.

  Der wirtschaftende Mensch befindet sich ständig in Problem- bzw. Konfliktsituationen, die den von ihm getroffenen Entscheidungen vorausgehen. Er steht   sowohl im Rahmen des beruflichen als auch des außerberuflichen Wirtschaftens  in der Gefahr, von der Wirtschaft bedrückt, ja sogar erdrückt zu werden, Stichwörter: Konsumterror, Übervorteilung, Betrug, Gerichtsvollzieher. Dagegen steht, dass Wirtschaft  nicht einengen, sondern dass sie vielmehr  frei machen soll.“ Wirtschaft hat keinen Selbstzweck. Der Mensch muss immer Subjekt und Ziel der Wirtschaft sein.“ [5]

  „Der Mensch ist das, was er ist, immer nur im Bezug und in der Auseinandersetzung mit der Welt in der er lebt und zu der er sich verhält.“ [6] ’Wirtschaftliches Handeln ist immer ein Handeln mit anderen und für andere und oft zugleich ein Handeln gegen andere, und daher besitzt die Einzelne in Wirklichkeit nur dann wirtschaftliche Mündigkeit, wenn er auch soziale Mündigkeit besitzt.’ [7]

  Ökonomische Bildung  - verstanden sowohl  als wirtschaftsberufliche Ausbildung als auch als Bildung des allgemeinen Wirtschaftsverständnisses - muss das Heraustreten aus der reinen Zwangsteilnahme am Wirtschaftsgeschehen zugunsten einer reflektierten, distanzierten Teilhabe und Gestaltung am Wirtschaftsprozess ermöglichen und kann einen Beitrag zu humaner Lebensbewältigung leisten.[8]  

  Der Jugendliche wächst insbesondere im Berufsschulalter in das Wirtschaftsgeschehen hinein. „ Wirtschaftliche Fragen betreffen nahezu sämtliche Bereiche unseres Lebens. Das macht es so interessant und auch notwendig, sich mit Wirtschaft zu beschäftigen. Aber ohne Kenntnis der Zusammenhänge sind gerade auf diesem Gebiet sachgerechte, fundierte Urteile nicht möglich.“ [9]  Die Berufsschule muss die Aufgabe wahrnehmen, die in der Hauptschule im Fach Arbeit/Wirtschaft-Technik  begonnene Einführung in die Ökonomie (siehe Tabelle 1), fortzusetzen, zu vertiefen und zu erweitern.    

Wirtschaftskunde in der Berufsschule

  Wirtschaft/Wirtschaftskunde/Wirtschaftslehre wird in den Stundentafeln für Berufsschulen,  gewerblich-technische Fachrichtungen, von vier Bundesländern in Kombination mit Sozialkunde/Gemeinschaftskunde/Politik genannt. Als eigenständiges Fach existiert  Wirtschaftskunde lediglich in zwei Ländern.

   Das Fach Wirtschaftskunde ist für niedersächsische Berufsschulen, gewerbliche Fachrichtungen , erstmalig nach dem 2.Weltkrieg, im Jahre  1966  in der Stundentafel mit einer Wochenstunde berücksichtigt worden. Das Stundenkontingent wurde im Jahre 1982 auf  ½ Wochenstunde gekürzt  und  drei Jahre danach war  das Fach  in den Stundentafeln für Klassen der gewerblich-technischen Fachrichtungen nicht mehr zu finden.  In anderen ´alten´ Bundesländern dürfte die Entwicklung ähnlich verlaufen sein.

Die aktuelle Situation am Beispiel Niedersachsen

  Die  z.Zt. gültigen  Rahmenrichtlinien für das Unterrichtsfach Politik in berufsbildenden Schulen, Stand:  Juni 1994[10] (nachfolgend RRL Pol ’94 genannt) verstehen  ‘Politische Gestaltungskompetenz’  als leitendes Prinzip der politischen Bildung an berufsbildenden Schulen.

„Sie ist die Fähigkeit und Bereitschaft,

gegenwärtige und zukünftige Lebenssituationen verantwortlich zu gestalten.“ [11]

  Reduziert man dieses leitende Prinzip auf das rein Ökonomische, so kommt man zu der Zielformulierung:  die Fähigkeit und Bereitschaft unter den gegebenen ökonomischen Voraussetzungen, in Wirtschaft  Lebenssituationen  verantwortlich zu gestalten’. Demgegenüber ist in  §2 Nds SchG  v. 1994  - Bildungsauftrag der Schule - unter dem gleichen Aspekt gesehen, lediglich von ökonomische Zusammenhänge erfassen’ die Rede.

  Die sieben angeführten Qualifikationen und die nachgeordneten Lernziele  in den RRL Pol ’94 -  sagen   wenig zur  ökonomischen Bildung, speziell  zur  Bildung des allgemeinen Wirtschaftsverständnisses’ aus.  Inhaltlich dagegen ist Wirtschaft als eigenständiges politisches Handlungsfeld mit folgenden Schwerpunkten berücksichtigt worden:

Wirtschaftsordnungen

Konjunktur und Krisen

Konsumenteninteresse - Produzenteninteresse 

Ökonomie und Ökologie

Am Schluss folgt der Hinweis ‘und/oder andere gleichwertige Themenbereiche’.[12]

   Als Ergänzung ist ein Kanon von  Lerngebieten, Lernzielen und Lerninhalten angefügt worden, der den nach § 35 BBiG/ §32 HWO für die Berufsausbildung wesentlichen Lehrstoff der Berufsschule berücksichtigt.   Diese Elemente  sind verbindlich und konsequenterweise mit einem eigenen Kontingent von 40 Wochenstunden für die Berufsschule ausgestattet. (vgl. Tabelle 1)      

 

Tabelle 1

Die Elemente für den Unterricht der Berufsschule im Bereich Wirtschafts- und Sozialkunde gewerblich - technischer Ausbildungsberufe  (KMK-Beschluß v. 18.05.84).[13]

Neben den sozial- und rechtskundlichen Lerngebieten

  • Berufsbildung (5 Themenbereiche) 

  • Arbeits- und Tarifrecht, Arbeitsschutz (14)  

  • Sozialversicherung (4)

  • Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit (2)

und einem juristisch ausgerichteten

  • Betriebliche Mitbestimmung  (2) 

ist  ein ökonomischer Komplex zu finden:

- Betrieb in Wirtschaft und Gesellschaft anzutreffen, mit folgenden Lerninhalten: 

  • Aufbau eines Handwerks-/Industriebetriebes

  • Wesentliche Aufgaben eines Betriebes (Beschaffung, Produktion, Absatz)

  • Die Stellung des Handwerks-/Industriebetriebes in der Wirtschaft

  • Wesentliche Ziele erwerbswirtschaftlicher und öffentlicher Betriebe: Gewinnerzielung, Kostendeckung, Marktversorgung

  • Betriebliche Kenngrößen: Produktivität, Wirtschaftlichkeit, Rentabilität

  • Wesentliche Unternehmensformen und deren Bedeutung:

  • Einzelunternehmen,

  • Personengesellschaften:  OHG, KG ;

  • Kapitalgesellschaften: AG, GmbH;

  • Genossenschaften,

  • Wirtschaftliche Verflechtungen  

 

Ziele und Inhalte

  Eine Expertengruppe beim Nds  Min Kult hat 1984 das Ziel formuliert:

´Der Wirtschaftskundeunterricht in Berufsbildenden Schulen soll  dem Lernenden diejenigen Einsichten und Kenntnisse vermitteln, die ihn befähigen, das wirtschaftliche Gesamtgeschehen in seinen Grundlagen zu erkennen und zu verstehen und  ihn damit zu denjenigen Qualifikationen bringen, die  zum rationalen und verantwortlichen Handeln innerhalb der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung notwendig sind.´ [14]   

Im einzelnen geht es  um die formalen  Ziele

bzw. um die  Aufgaben

  Eine wesentliche Rolle bei der Realisation der Ziele spielen die ausgewählten Inhalte..   Einen umfangreichen Katalog liefert das in Tabelle 2 zitierte Inhaltsverzeichnis von „Wirtschaft Deutschland“.  Nach den Angaben der Herausgeber  ist es „das erste Wirtschaftsbuch, das die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland umfassend darstellt“, es richtet sich „an Leser und Leserinnen, die als Verbraucher, Arbeitnehmer, Auszubildende, Unternehmer, Staatsbürger und Politiker – wie immer man sie in ihren Rollen benennen mag – Entscheidungen treffen“.[16] Ausdrücklich wird hier nicht Bezug auf ein Lehrbuch genommen, weil  die dort berücksichtigten Inhalte  bereits nach der Vorgabe  von  Richtlinien ausgewählt worden  sind.

   

Tabelle 2

Quelle: Wirtschaft Deutschland   Daten – Analysen – Fakten, Hrg. Keim, H. und Steffens, H., Köln 2000),

Verbraucher und Markt

1.       Konsumfreiheit als Grundlage der Marktwirtschaft

2.       Entwicklungen des Verbraucherverhaltens

3.       Probleme des Wettbewerbs

4.       Probleme der Einkommensverwendung

5.       Marktmodell und Realität

6.       Verbraucherpolitik

7.      Rückblick und Ausblick

Arbeitnehmer und Betrieb

      8.       Wirtschafts-, Arbeits- und Berufswelt im Wandel

      9.       Bildung und Betrieb

     10.       Arbeit und Betrieb

     11.       Soziale Gestaltung der Arbeitswelt

     12.       Grundelemente der Betriebswirtschaft

     13.       Mitbestimmung und Vermögensbeteiligung

     14.       Lohn- und Tarifpolitik

     15.       Interessenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Gesamtwirtschaftliche Entwicklung und Wirtschaftspolitik

    16.          Wirtschaftsentwicklung als Stabilisationsproblem

   17.          Konzeption und Instrumente der Stabilisierungspolitik

  18.           Strukturwandel und Strukturpolitik

    19.           Ansätze und Perspektiven der Wachstumspolitik

Internationale Wirtschaftsbeziehungen und Weltwirtschaft

 20.              Grundlagen der Weltwirtschaft

 21.              Entwicklung des Welthandels

 22.              Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland

 23.              Kapital und Arbeit aus Weltwirtschaftlicher Sicht

 24.              Entwicklungsländer und Industrieländer  

 

Weitere Bedingungen

>    Die Bildung des allgemeinen Wirtschaftsverständnisses’ darf nicht allein an den  Rahmenrichtlinien für die Berufsschule  festgemacht werden. Bevor z.B. die Mehrzahl der BBS-Schüler, nämlich die Berufsschüler, in diese Schulform eintritt, ist sie bereits in der Mehrzahl der Fälle in der Hauptschule,  in Arbeit/Wirtschaft – Technik unterrichtet worden.    

Die derzeit gültigen Rahmenrichtlinien für  die Hauptschule, Arbeit/Wirtschaft-Technik  sind 1997 erschienen, die vorletzten stammen aus dem Jahr 1982. Eine eingehende inhaltliche Analyse und ein Vergleich dieser  RRL   mit den  RRL Pol ’94   wäre in diesem Zusammenhang  wünschenswert, ist jedoch aus Platzmangel  nicht möglich. Ein oberflächlicher  Vergleich  lässt den Schluss zu, dass die jüngere Vorschrift  auf die o.a. KMK-Elemente abgestimmt sind. Die Arbeit/Wirtschaft-Themenbereiche in den Rahmenrichtlinien von 1982 und von 1997 sind   in Tabelle 3   aufgelistet. 

 

Tabelle 3

Quelle: Hrg. Nds Min Kult:  Rahmenrichtlinien für die Hauptschule      

Arbeit - Wirtschaft - Technik , Hannover  1982   

7. Schuljahr  (A-W-T:  3 Wo.-Std.)                                   

  • Arbeit und Existenzsicherung

  • Wirtschaften mit dem Einkommen

  • Entstehung von Berufen                                    

  • Arbeitsplätze in versch. Wirtschaftsbereichen           

  • Rationalisierung durch Arbeitsteilung                                

8.   Schuljahr (A-W:  2 Wo-Std.)              

  • Berufsorientierung und Berufswahl

  • Der Betrieb als Arbeitsstätte                                    

  • Geld und Zahlungsverkehr                             

  • Markt und Marktgeschehen

9.   Schuljahr (A-W:  3 Wo.-Std.)                                     

  • Bedeutungsaspekte des Betriebes                  

  • Mitbestimmung des Arbeitnehmers im Betrieb

  • Situation des Auszubildenden

  • Ausbildungswege im Dualen System

  • Wirtschaftliche Absicherung

  • Wirtschaft und Konsum

  • Tarifvertrag und Tarifautonomie

  • Berufsbildung - berufliche Mobilität

  • Arbeitslosigkeit

Zeitvorgabe: Sa. 8 Wochenstunden, entspricht 320 Stunden insgesamt

 

Quelle: Hrg. Nds Min Kult: Rahmenrichtlinien für die Hauptschule

Arbeit / Wirtschaft - Technik, Hannover  1997

Schuljahrgänge 7/8

  • Arbeiten und Wirtschaften  (12  Std.)

  • Verbraucherinnen und Verbraucher im Wirtschaftsgeschehen  (10 Std. )

  • Der regionale Wirtschaftsraum  (12 Std.)

  • Entscheiden für einen Startberuf (12 Std.)

 

Schuljahrgänge 9/10

  • Markt- und Wirtschaftsgeschehen  (10 Std.)

  • Wirtschaftliches und soziales Handeln im Betrieb  (12 Std.)

  • Soziale Marktwirtschaft  (12 Std.)

  • Die Europäische Union  (12 Std.)

 

Zeitvorgabe: Sa.: 92 Stunden insgesamt

 

>  Für eine Situationsanalyse im Hinblick auf BS-Lehrkräfte mit dem Unterrichtsfach Wirtschaftskunde fehlen aktuelle Daten. Tendenziell kann man davon ausgehen, dass ihre Anzahl an den niedersächsischen BBS  stetig abnimmt, denn die Möglichkeit, im Rahmen des LbS-Studiums z.B. an der Universität Hannover Wirtschaftswissenschaften als Schwerpunktbereich im Unterrichtsfach Gemeinschaftskunde/ Wirtschaftskunde  zu wählen, ist durch eine Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung seit dem Sommersemester 2001 nicht mehr gegeben. Die PVO-Lehr  vom 15.April 1998 bietet u.a. Politik als Unterrichtsfach an, mit den Schwerpunktbereichen Sozialwissenschaften und Geschichtswissenschaften. Als eine Zulassungsvoraussetzung für die Abschlussprüfung ist lediglich der Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an einer Lehrveranstaltung zur Einführung in die Betriebswirtschaftslehre oder Volkswirtschaftslehre zu erbringen.

>  Wirtschaftskundliche Inhalte haben Prüfungsrelevanz und sind daher im BS-Unterricht zu vermitteln. Durch die Facharbeiter- bzw. Gesellenprüfung ist festzustellen, ob der Prüfling u.a. mit dem ihm im Berufsschulunterricht vermittelten, für die Berufsausbildung wesentlichen Lehrstoff vertraut ist . Die Kultusministerkonferenz hat zur Konkretisierung dieser BBiG- bzw. HWO-Vorschrift  die o.a. Elemente zusammen gestellt. Untersuchungen von Aufgabenblöcken für das Prüfungsfach Wirtschafts- und Sozialkunde aus dem gewerblich-technischen Bereich zeigen auf, das der KMK-Beschluss vom 18.05.84 durchaus nicht von allen Prüfungsausschüssen des Handwerks anerkannt bzw. berücksichtigt wird.

 

Schlussbemerkungen

        Seit 1985 wird das Fach Wirtschaftskunde in Stundentafeln für niedersächsische Berufsschulen, gewerblich-technische Fachrichtungen nicht mehr geführt. Ein Blick in die Stundentafeln  anderer Schulformen, gewerblich-technischer Fachrichtungen[17]  ergibt folgendes Bild:

            Fachrichtungen, Wirtschaftskunde auf der Basis einer fachwissenschaftlich oder fachdidaktisch begründeten Systematik nicht erteilt worden.

        In allen Richtlinien für Gemeinschaftskunde  spielen ökonomische Inhalte seit 1985  eine untergeordnete Rolle, am größten ist der durch ökonomische  Inhalte  geprägte Komplex in den  RRL Pol’94 . Allerdings sind lediglich die Elemente  für den Unterricht der Berufsschule im Bereich Wirtschafts- und Sozialkunde gewerblich-technischer Ausbildungsberufe  der Berufsschule, gewerblich-technische Fachrichtungen, ( vgl. Tabelle 1) zugeordnet und verbindlich, die übrigen ´Politischen Handlungsfelder, Schwerpunkte und Themenbereiche ´gelten  für alle BBS-Schulformen.

       Immer noch  wird im Rahmen von Gesellenprüfungen, im Gegensatz zu Facharbeiterprüfungen,  wirtschaftskundlicher ‘Lehrstoff’ abgeprüft, der in der Berufsschule nicht behandelt  worden ist.  Hierdurch wird eine Anzahl Auszubildende des Handwerks gegenüber denen der Industrie benachteiligt. Eine zweite Benachteiligung von Prüflingen ergibt sich aus der unterschiedlichen Gestaltung der Aufgabenblöcke. Drei überregional gültige Vorlagen, Ausgabe 1998, für insgesamt acht Metall-Ausbildungsberufe enthalten  einen Ökonomieanteil zwischen 14 und  25%  sowie Bearbeitungszeitvorgaben von 1 bis 2 Minuten pro Auswahlantwortaufgabe. Hier  tut Abstimmung  zwischen den Landesinnungsverbänden untereinander sowie mit der Kultusbehörde Not.

       Durch die jüngst erfolgte Änderung der PVO-Lehr[18]  herrschen für die ‘Bildung des allgemeinen Wirtschaftsverständnisses’  an den Berufsbildenden Schulen in personeller Hinsicht  ungünstige Voraussetzungen.  

 

Eine Frage der Wertschätzung?

Warum erfährt das Fach Wirtschaftskunde in den Stundentafeln der Berufsschulen, gewerblich-technische Fachrichtungen, bzw. die ‘Bildung des allgemeinen Wirtschaftsverständnisses’  eine derart ‘diskrepante  Wertschätzung’? [19]   

Folgt man Grammes [20], so ist die  Wirtschaftswissenschaft die Wissenschaft vom Preissystem, dessen „unsichtbare Hand“ allen anderen gesellschaftlichen Entscheidungssystemen vorgezogen werden soll. Laien nehmen das ökonomische Denken als kalt wahr, da ein strategisch-erfolgsorientiertes Nutzenkalkül gegenüber einer verständnisorientierten Perspektive dominiere. Ursache für die diskrepante Wertschätzung von Laien sind  folgende vier Faktoren:

  1. Ungenügende ökonomische Ausbildung (ökonomisches Wissen ist nicht weit verbreitet; der Mechanismus der unsichtbaren Hand wird kaum verstanden);

  2. fehlendes Wissen: Es besteht ein Unwillen, die ökonomische Sichtweise zu übernehmen, da dies ein Verlust des in anderen Bereichen erworbenen Ausbildungskapitals bedeuten würde z.B. des Glauben an staatliche Steuerungskompetenz;

  3. die Verwendung von Preismechanismen wird häufig von Interessengruppen verhindert, die im Verteilungskampf zu verlieren glauben;

  4. das Preissystem wird unter angebbaren Bedingungen als „unfair“ betrachtet; Befragungen und Experimente zeigen eine psychologische Abwehr von Tauschbeziehungen: Preise und Märkte zerstören Moral und Motivation. “Der Markt zerstöre durch den Kommerzialisierungseffekt seine eigenen Grundlagen“ [21]  

 

Schlusswort

    Abschließend  möchte  ich den verantwortlichen Politikern, Kultusbeamten, Vertretern von Kammern und des Elternbeirats sowie Hochschul- und BBS-Lehrern  im Lande, kurzum  allen, die am Entstehen  von Stundentafeln, Rahmenrichtlinien und Verordnungen für die Lehrerausbildung beteiligt sind,  ein Zitat aus den RRLPol´94  ins Stammbuch schreiben:

Ø      Zukunftssicherung erweist sich als erstrangige Herausforderung aller politischen und pädagogischen Verantwortungsträger.<  > Alle Menschen müssen lernen, die lokalen, regionalen und globalen Zusammenhänge ihres Lebens als vernetztes System technischer, ökologischer, ökonomischer, politischer und sozialer Bedingungen zu begreifen und verantwortlich mitzugestalten.<[22]

Ø      Ohne  die ´Bildung des allgemeinen Wirtschaftsverständnisses´ in der Schule  fehlt ein Knotenpunkt in diesem Netz.

 

 

Quellenangaben und Anmerkungen des Autors

[1] Hrg. Keim,H. u.a.: Wirtschaft Deutschland, Köln 2000, S.XIII (zurück 1)

[2] vgl. Schanz,H.: Die Bedeutung der Wirtschaftswissenschaften für die Didaktik der ökonomischen Bildung in Hrg. Schanz,H.: Beiträge zur Berufs- und Wirtschaftspädagogik IV Stuttgart 1977, S.60 (zurück 2)

[3] Tautscher,A.: Die Wirtschaft als Schicksal und Aufgabe, Berlin 1965, S.17 (zurück 3)

[4] zitiert in Hrg. Keim,H. u.a. ebenda, S.4 (zurück 4)

[5] Marx,A.: Normen des wirtschaftlichen Geschehens in Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 22.Jg. 1952, S.554 (zurück 5)

[6] Lersch,Ph.: Der Mensch als Schnittpunkt, München 1969, S.17 (Zurück 6)

[7] Abraham,K.: Die Beziehungen zwischen Wirtschaft und Erziehung in christlicher Sicht in Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Pädadogik, 37.Jg. 1961, S.9 (zurück 7)

[8] vgl. Schanz,H.: Ökonomische Bildung als Beitrag zu  humaner Lebensbewältigung, Hrg. Schanz,H. ebenda S.79 (zurück 8)

[9] Lippens,W.:Im Kreislauf der Wirtschaft, Hrg. Bundesverband deutscher Banken e.V. Köln 1994, S.14 (zurück 9)

[10] Hrg. Nds Min Kult Hannover, 1994 (zurück 10)

[11] Hrg. Nds Min Kult ebenda, S.3 (zurück 11)

[12] Hrg. Nds Min Kult ebenda S.27 (zurück 12)

[13] Hrg. Nds Min Kult ebenda S. 31 ff (zurück 13)

[14] Hrg. Nds Min Kult: Rahmenrichtlinien für das fach Wirtschaftskundein den Berufsschulen der gewerblichen Fachrichtungen, Hannover 1984 (zurück 14)

[15] vgl. Hrg Bund Zentr f pol Bild: Politik – kurz gefasst, Bonn 1995, S.17 f) (zurück 15)

[16] Hrg. Keim,H. u.a. ebenda, S..XV (zurück 16)

[17] Hrg. Nds min Kult BbS-VO, Stand August 1996, Hannover (zurück 17)

[18] Hrg. Min Kult: Verordnung über die erste Staatsprüfungen der Lehrämter im Land Niedersachsen vom 15.April 1998 (zurück 18)

[19] Frey,B.: Ökonomie ist Sozialwissenschaft, München 1990 S. 158, zitiert in Grammes T.: Bestandsaufnahme und Dokumentation in Hrg. Bund Zentr f pol Bild :Politische Urteilsbildung, Bonn 1997, S.26 (zurück 19)

[20] Hrg. Bund Zent f pol Bild: Politische Urteilsbildung, Bonn 1997, S.26 (zurück 20)

[21] Frey,B. ebenda S.158 (zurück 21)

[22] Hrg Nds Min Kult ebenda  S.3 (zurück 22)


 

Weitere Beiträge von Herrn Zeuschner

Der Beitrag von H.-D. Zeuschner wurde weder inhaltlich noch in seinem Umfang verändert.

Wiesinger

bearbeitet am: 19.02.15